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Form und Gestalt
Die Evozierung des Existentiellen im Schnittpunkt von Emotion und Distanz

Anmerkungen zu den neuen Wachs-Plastiken von Peter Marggraf


 

Kurt Märzhäuser

Mit einer Gruppe im Jahr 2005 geschaffener Plastiken aus Wachs geht Peter Marggraf einen neuen Weg parallel zu den figürlichen Tonskulpturen seiner Hand, die wir bisher von ihm kennen. Anders als in den Terrakotten vermitteln uns die Wachsplastiken nicht mehr ein ablesbares Abbild des Menschen, geformt und gebrannt aus Ton, das uns in der statistischen Fixierung und Widerspiegelung des ihm existentiell Auferlegten als Topos des ewig Wiederkehrenden erscheint, sondern eine sich daraus ableitende sehr stringente Sublimierung des von ihm Intendierten.
Was diese neuen Plastiken aus einer Mischung u. a. aus Bienenwachs und Paraffin den Tonskulpturen gegenüber im aktiven Schaffensprozeß unterscheidet, ist die Loslösung von Arbeitsschritten mit präzisen Vorgaben (die der Umgang mit dem Material Ton zum Beispiel allein schon durch die Bedingungen der Brenntechnik erfordert) in ein intuitiv geleitetes plastisches Prinzip: einer organischen Formgebung im Gestalten und haptischen Erfühlen der das Wachs formenden Hand.
In diese reflektiv wie intuitiv geformten Plastiken sind impulsgebende Einflüsse aus vergangenen Kunstepochen eingeschmolzen. Angesprochen sind hier insbesondere auch diejenigen des Neomanierismus mit dem konkreten Verweis auf Tintoretto, den Marggraf während seiner Venedig-Aufenthalte immer wieder auf sich einwirken läßt und studiert.
Für den Rezipienten vermitteln die Wachsplastiken in ihrer Fixierung der Gestik und den Fragmentierungen als skulpturale Torsi die Vorstellung eines “klassischen Formenideals“. Allerdings ist durch diese nur vordergründig klassische Form in der Gestaltungskraft und Imagination des Künstlers die Gegenwart hindurchgegangen.
Als zeitgenössischer Künstler positioniert sich Marggraf mit seinem Werk nicht im Fokus von gerade vorherrschenden Ismen oder Trends mit ihrer immer kürzer werdenden Halbwertzeit, sondern geht unbeirrt und in einer Gegenposition dazu einen eigenen Weg der Auseinandersetzung mit den ihn berührenden Fragen.
Der (per se) klassische figurative Formenkanon, der in seinen neuen Plastiken aus Wachs anklingt, resultiert nicht aus ursächlich formalästhetischen Überlegungen, sondern aus der Intention, den „inneren Ausdruck“ in eine distanzierte Ebene zu bringen, über die er in der Form einen Halt bekommt. Das zielt auf unser Empfinden, Fühlen und Leiden angesichts unserer zerrissenen und sich immer mehr entfremdenden Gegenwart, die Peter Marggraf in die Plastik transferiert und gleichzeitig läutert durch die Annäherung an die reine Form. Aus diesem die Kräfte ausbalancierenden Spannungsverhältnis definieren sich auch die neuen Plastiken Peter Marggrafs nicht als „l‘art pour l‘art“, sondern als Auseinandersetzung mit unseren existentiellen Lebenszusammenhängen im Zentrum seiner künstlerischen Tätigkeit.
Seine Wachsplastiken suggerieren trotz ihrer kleinen Höhenmaße eine ihnen innewohnende Größe und Würde, die in einem intensiven, geradezu meditativen Schaffensprozeß wurzelt.
Weil das Wachs von Marggraf buchstäblich „in der Hand“ geformt wurde und Gestalt annahm, haftet den Plastiken eine Intimität an, die Körpergefühl und spirituelles Empfinden gleichermaßen ausstrahlt. Die darin eingeschlossene Stille als Moment der Kontemplation ist allen Arbeiten Peter Marggrafs innewohnend.