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WECHSELGETRIEBE
Peter Marggraf zeichnet für das neue Buch von Hans Georg Bulla

 

Von Ursula Schmitz

Eigens für das neue Buch von Hans Georg Bulla hat Peter Marggraf im Frühsommer 2011 einen Zyklus von fünf Tuschezeichnungen unter dem Titel „schattengeben“ angefertigt.
Bereits auf dem Umschlag ist eine der Zeichnungen zu sehen, im Buch selbst eröffnen die Zeichnungen als Frontispiz jeweils eins der fünf Kapitel, in denen ausgewählte Gedichte und Aufzeichnungen von Hans Georg Bulla aus fast vier Jahrzehnten, von den 70er Jahren bis heute, zu lesen sind.
Peter Marggraf hat jedoch nicht einzelne Gedichte illustriert, sondern fünf selbstständige Zeichnungen geschaffen – dies allerdings in Kenntnis der Texte. In die gleichformatigen Rahmen, der Buchseite angepaßt, sind viermal Doppel-Figuren mit gestisch-sparsamen Rohrfeder-Strich gesetzt, einmal steht eine Figur allein. Der Körper wird jeweils nur als Umriß gegeben, das Gesicht und die individuelle Erscheinung sind in der Regel nur angedeutet, kräftiges Schwarz betont im Einzelfall die Konturen. Oder es verdichtet sich zu einer Schatten-Zone, aus dem die einzelne Figur hervorzutreten scheint. Linie und Fläche – es gibt keine Lagen von Strichen oder Schraffuren, die Fülle suggerieren sollen.
Während auf dem einen Blatt die Gesichter wie im Gespräch einander nahe sind, blicken sie auf einem anderen den Betrachter fragend an; lassen sich die beiden Figuren auf dem einen Blatt vielleicht als Paar sehen, so scheint es sich auf dem anderen Blatt eher um Doppelgänger, Ego und Alter ego zu handeln.
Diese neuen Blätter setzen die Erkundung von existentiellen Grundsituationen fort, die Peter Marggraf seit längerer Zeit in seinen Grafiken und Zeichnungen, aber auch mit seinen Plastiken betreibt. Es sind ebenso wenig realistische Abbildungen wie auf die menschliche Figur verzichtende Abstraktionen. Durch Reduktion in Strich und Formgebung, aber mit expressiver Aufladung versucht er, in den Zeichnungen Fragen zu stellen – ohne daß er Antworten geben wollte. Durch das Zeigen, auch das Vorzeigen von Fragmentarischem, Nicht-Abgeschlossenem, von Beschädigtem nimmt hier, wie Peter Gosse einmal geschrieben hat, die „Sehnsucht auf Hoffnung“ Gestalt an.
„Variationen der Melancholie“ hat Hermann Kinder sein ausführliches Nachwort zu diesem Band überschrieben, in dem er die Texte von Hans Georg Bulla als „Ergebnisse einer hohen Kunstfertigkeit“ würdigt. „Melancholische Variationen“ ließe sich auch der Zyklus der fünf Tuschezeichnungen überschreiben, der damit ein stimmiger Bestandteil des Buchs ist. Herausgegeben hat es Gerd Kolter, erscheinen wird es im Bielefelder Aisthesis Verlag.

Hans Georg Bulla, Wechselgetriebe. Ausgewählte Gedichte und Notate.
Herausgegeben von Gerd Kolter. Mit einem Nachwort von Hermann Kinder
und Zeichnungen von Peter Marggraf.
Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2011. 176 Seiten, Hardcover, Schutzumschlag,
Preis: 17,80. Euro ISBN 978-3-89528-874-6